KI als Planungsassistenz in der Kontraktlogistik - Überwachtes Lernen zur Vorhersage von Prozessschritten in der Planung von Logistikprozessen

Marius Veigt, Lennart M. Steinbacher und Michael Freitag

Der Wettbewerbsdruck in der Kontraktlogistikbranche ist groß. Logistikanbieter müssen schnell und mit überzeugenden Konzepten auf Ausschreibungen reagieren. Dieser Beitrag zeigt erste Ansätze, wie die Prozessplanung der Logistik im Ausschreibungsmanagement mit Methoden des überwachten Lernens beschleunigt werden kann. Unter der Prämisse, dass ähnliche Prozesse aus vergangenen Projekten auf ein neues Projekt übertragen und angepasst werden können, schlägt ein KI-basiertes Assistenzsystem während der Planung mittels Methoden des überwachten Lernens geeignete Prozessschritte in Form von MTM-Codes (Methods-Time Measurement) vor. Dieses Vorgehen beschleunigt die Prozessplanung und kann zu einer Steigerung der Qualität der geplanten Logistikkonzepte führen.

Charakteristisch für die Kontraktlogistik ist der hohe Individualisierungsgrad der Dienstleistungen [1]. Der Logistikdienstleister muss die spezifischen Standortbedingungen des Kunden sowie die produkt- und kundenspezifischen Anforderungen berücksichtigen. Daher muss der Logistikdienstleister die Ausschreibung und die nicht beschriebenen Anforderungen untersuchen und analysieren, um ein geeignetes Logistikkonzept für den Kunden zu planen und zu kalkulieren. Für diese Aufgabe sind erfahrene und hochqualifizierte Mitarbeiter notwendig [2]. Neben des aufkommenden Fachkräftemangels ist es auch aufgrund der schwankenden Nachfrage nach Logistikleistungen unvermeidlich, dass auch weniger erfahrene Planer diese Aufgabe übernehmen müssen. Dies erhöht den Zeitaufwand und mindert die Qualität des Logistikkonzepts. Damit sinken die Chancen, die Ausschreibung zu gewinnen. Um dem entgegen zu wirken, haben Spiegel u. a. einen Ansatz zur Modularisierung und Standardisierung von Logistikprozessen entwickelt und hiermit erste Erfolge erzielt [3]. Bei der Erprobung und Auswertung dieses Ansatzes zeigte sich jedoch, dass die Prozessbausteine ausschreibungsspezifisch umfangreich angepasst werden müssen. Diese Anpassungen implizieren, dass Standardisierung nicht der einzige Ansatz zur Prozessoptimierung im Planungs- und Kalkulationsprozess ist.

Jüngste Forschungen haben den Planungs- und Kalkulationsprozess im Ausschreibungsmanagement der Kontraktlogistik analysiert und den Bedarf sowie das Potenzial für die Unterstützung durch ein auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Assistenzsystem identifiziert. Hierbei stellte sich heraus, dass der gezielte Vorschlag von Prozessschritten während der Konzeptplanung eine wesentliche Erleichterung insbesondere für unerfahrene Logistikplaner*innen wäre [4]. Eine häufig verwendete Herangehensweise der Planer*innen ist das Methods-Time Measurement (MTM) [9], das zur planerischen Ermittlung von Prozesszeiten benutzt wird. Die Prozesszeiten stellen insofern eine essenzielle Information dar, als dass die fehlerhafte Planung zu kurzer Prozesszeiten nicht alle Kosten ausreichend berücksichtigen und folglich einen Verlust im späteren operativen Geschäft bedeuten würde. Die Planung von zu langen Prozesszeiten würde das Angebot jedoch zu teuer werden lassen, sodass dieses nicht wettbewerbsfähig wäre. Die MTM-Methode ermöglicht eine möglichst exakte Planung von Prozesszeiten, indem Prozesse in einzelne Tätigkeiten (z. B. greifen, gehen) unterteilt werden und diesen Tätigkeiten, die mit einem MTMCode gekennzeichnet sind, feste Zeiten zugewiesen sind. Der Nachteil dieser Methode ist jedoch, dass sie zeitaufwändig ist und ein hohes Maß an Erfahrungswissen erfordert [4].


Bild 1: Exemplarischer Ausschnitt einer Prozessbeschreibung mittels MTM-Codes.

Bild 1 zeigt einen exemplarischen Ausschnitt einer Prozessbeschreibung mittels MTM-Codes für die Entladung von Paletten aus einem LKW. Das Wissen der Logistikplaner*innen liegt nicht nur in der Auswahl der MTM-Codes, sondern vor allem in der Prozessgestaltung – also in dem Wissen, welche Prozessschritte einzuplanen sind. Die KI soll diese zwei Ausgaben übernehmen, indem die KI in vergangenen Kontraktlogistikprojekten nach Analogien sucht und den Planer*innen Vorschläge für den folgenden Prozessschritt mit zugehörigem MTM-Code macht. Hierbei soll die KI auch die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Vorschläge angeben, um die Planer*innen bei ihrer Entscheidung weiter zu unterstützen. Die Planer*innen haben daraufhin die Möglichkeit einen Vorschlag anzunehmen oder einen völlig anderen Prozessschritt einzuplanen. Die KI soll wiederum anhand solcher Bestätigungen und Änderungen dazulernen und zukünftig die Vorschläge anpassen. Sind die Prozessschritte geplant, können die Prozesszeiten mittels der den MTM-Code zugewiesenen Basiszeiten berechnet werden.

Datengrundlage

Für die Forschungsarbeit stehen die Planungsdaten von 13 Kontraktlogistikprojekten zur Verfügung. Der Datensatz besteht aus sechs verschiedenen Kunden aus der Automobilindustrie und dem Baugewerbe. Trotz der kundenindividuellen Ausgestaltung der Kontraktlogistikdienstleistungen lassen sich diese Planungsdaten projektübergreifend in die Hauptprozesse Wareneingang, Einlagerung, Auslagerung, Kommissionierung, Sequenzierung, Umpacken, Vormontage, Warenausgang sowie Transport und Leergut-Handling gliedern. Die Hauptprozesse lassen sich wiederum in Prozesse unterteilen. Ein Prozess beschreibt beispielsweise den Wareneingang einer Palette, während die Einlagerung dieser Palette einen neuen Prozess darstellt. Die Prozesse lassen sich wiederrum in Prozessschritte unterteilen. Die Prozessschritte werden mit einem MTM-Code identifiziert.

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