Digitalisierte Industrie und Nachhaltigkeit - Zwischen Synergie und Dissonanz

Frieder Schmelzle, Marcel Matthess, Stefanie Kunkel und Grischa Beier

Ein erheblicher Teil der globalen Treibhausgasemissionen wird durch die Industrie verursacht. Ihre Digitalisierung wird oft als Weg zu mehr Nachhaltigkeit gesehen. Zugleich zeichnen sich ökologische und soziale Risiken ab, deren Erforschung noch am Anfang steht. Bisherige Erkenntnisse zeigen multiple Herausforderungen auf. Soll eine nachhaltige Industrie 4.0 gelingen, müssen diese bereits konzeptionell einbezogen werden. Aufbauend auf einer konzeptionell-theoretische Literaturanalyse präsentiert der folgende Beitrag aktuelle Entwicklungen aus Forschung, Wirtschaft und Politik. Wir beleuchten ausgewählte Ansätze, die auf eine nachhaltige Industrie 4.0 abzielen und skizzieren abschließend praktische Gestaltungsoptionen.

Bisherigen Anstrengungen zur Verringerung energiebezogener Treibhausgasemissionen zum Trotz, entstehen diese weiterhin zu etwa einem Viertel im industriellen Sektor [1]. Im Jahr 2017 galt die Industrie als Haupttreiber für Europas steigende Emissionen [2]. Nach wie vor sind weitrechende Veränderungen erforderlich, um die Klimaziele des Pariser Abkommens erreichen zu können [3]. Die Industrie befindet sich angesichts des gesamtgesellschaftlichen Imperativs in Richtung Nachhaltigkeit und der parallel stattfindenden Digitalisierung in einer Phase, die die Integration zweier Megatrends erfordert. Die Ausgestaltung der Digitalisierung wird dabei entscheidenden Einfluss darauf haben, ob sie eine nachhaltige Entwicklung befördern wird [4]. Drei Merkmale zeichnen eine digitalisierte Wirtschaft aus [4]: Zum einen verfügt sie (1.) über einen ausgeprägten Sektor für Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), der die benötigte technologische Infrastruktur bereitstellt. Auf ihrer Grundlage agieren (2.) „Digital-Unternehmen“, deren Wertschöpfungsmodelle fundamental auf digitalen Infrastrukturen aufbauen. Ein fließender Übergang besteht schließlich zu (3.) den „Digital-Anwendern“, welche ihre Geschäftsmodelle mit Hilfe der Digitalisierung umstrukturieren oder erweitern (ebd.). Hierzu gehören Unternehmen, die Elemente der Industrie 4.0 bereits implementiert haben. 

In diesem Artikel wird die digital vernetzte Industrie betrachtet. Sie stellt eines der zentralen Transformationsfelder für eine nachhaltige Digitalisierung dar [5]. Ziele dieses Beitrags ist es, das Spannungsfeld zwischen den beiden genannten Megatrends aufzuzeigen und mögliche Lösungsansätze für auftretende Konflikte zu beleuchten. Einerseits eröffnet die Industrie 4.0 Chancen für umweltschonendere Produktionsweisen, Managementkonzepte und Beiträge zur Energiewende. Andererseits zeichnen sich auch Risiken ab, zum Beispiel durch den ökologischen Fußabdruck der digitalen Technologien selbst. Aufbauend auf einer konzeptionell-theoretischen Literaturanalyse, den Erkenntnissen aus eigenen Forschungsarbeiten und aktuellen transdisziplinären Dialogprozessen sowie ausgewählten Initiativen aus Politik und Industrie, kontrastieren wir Chancen und Risiken für mehr Nachhaltigkeit. Dabei muss der Blick auch auf indirekte, geografisch und zeitlich verteilte Effekte geweitet werden. Zuletzt werden politische Gestaltungsoptionen auf nationaler und europäischer Ebene skizziert.
 

 

Bild 1: Ausgewählte Zusammenhänge zwischen Industrie 4.0 und Nachhaltigkeit (Quelle: IASS Potsdam).

 

Chancen der digitalisierten Industrie

Auf drei Ebenen erfährt die Industrie durch Digitalisierung besonders deutliche Veränderungen: 1.) Informationsflüsse, 2.) Ressourcenströme und 3.) Wertschöpfungsmodelle [4]. Dabei ist die Annahme, dass hieraus insgesamt Ressourceneinsparungen resultieren, in Unternehmen weit verbreitet [6]. Die Erforschung von Nachhaltigkeitspotenzialen und -risiken steht jedoch noch am Anfang [7] und in Konzepten der Industrie 4.0 finden sich nur selten ökologische Gesichtspunkte wieder [8].

1.) Die digitale Erfassung von Informationsflüssen erleichtert die Abbildung von Produktionsprozessen, um diese besserverstehen und agil steuern zu können. Neben betriebswirtschaftlichen Einsparpotenzialen bestehen somit Chancen, Rohstoff- und Energieverbräuche sowie damit einhergehende Treibhausgasemissionen zu reduzieren [9]. Stand-by-Zeiten sowie Transportwege können in verteilten Produktionssystemen durch Fernzugriff auf vernetzte Geräte, Maschinen und Standorte sowie ihre verbesserte Abstimmung untereinander minimiert werden. Cyber-physische Produktionssysteme ermöglichen ihre effizientere Koordination [10]. Somit lässt sich bestenfalls der Einsatz von Materialien, Energie, aber auch von manuellen Tätigkeiten reduzieren [6]. Digitale Datenerfassung entlang industrieller Wertschöpfungsketten könnte zu mehr Nachhaltigkeit beitragen, indem die Umweltwirkungen von Gütern in einem sogenannten digitalen Zwilling abgebildet werden [11]. 

2.) Ressourcenflüsse, insbesondere klimarelevante Energie- und Rohstoffverbräuche, können im Rahmen eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements datengestützt aufgezeigt und idealerweise reduziert werden. Voraussetzung für eine effektive Analyse und umweltgerechte Optimierung von Unternehmensaktivitäten ist die Etablierung geeigneter Datenstandards [12]. Diese sollten Komptabilität zwischen Maschinen, Fabriken, Sektoren und Regionen gewährleisten. So wird ein niederschwelliger und effektiver Austausch der erforderlichen Informationen auf allen Ebenen ermöglicht. Insbesondere in der Fertigung ist dafür die Installation von Sensor- und Übertragungsarchitekturen erforderlich (siehe z. B. [13]). Detailliert erfasste ökologische Fußabdrücke von Dienstleistungs- und Produktlebenszyklen helfen, ein tieferes Verständnis für diese zu entwickeln. Dies macht schonendere und langfristig günstigere Alternativen womöglich erst erkennbar.

3.) Wertschöpfungsmodelle sind in der digitalisierten Wirtschaft verstärkt dienstleistungsorientiert, so etwa im Rahmen der sogenannten Plattformökonomie [14]. Auch im Industriesektor sind Nachhaltigkeitsaspekte mit digitalen Plattformlösungen adressierbar, etwa über das Management von Energie- und Stoffströmen zwischen Produktionsstandorten [15] oder innerhalb großer Fertigungsanlagen. Unternehmensübergreifend eröffnen sich mitunter datenbasierte Geschäftsmodelle. Sharing-Angebote für Teil- und Tauschhandlungen lassen sich über Plattformen effizient aufeinander abstimmen. So können (zeitweise) ungenutzte Ressourcen verschiedenen Nutzenden zugänglich gemacht werden und bestehende Aktivitäten rohstoffschonender gestaltet werden [16]. [15]

Mit dem weiteren Voranschreiten der Energiewende und der Integration weiterer Sektoren darin wächst auch dort die Relevanz datengetriebener Lösungen. Die Integration kleinteiligerer Erzeugungsstrukturen in bestehende Energiesysteme verlangt zunehmend anspruchsvolle und datengetriebene Koordinationsleistungen [18, 19]. Auch in industriellen Fertigungssystemen kann ein digitalisiertes Energiemanagement helfen, Produktionsprozesse flexibel zu planen, zu überwachen und zu steuern (siehe z. B. [20, 21]) Vor dem Hintergrund des zukünftig stärker schwankenden Energieangebots leistet ein solches System gleichzeitig einen Beitrag zur Netzintegration und -stabilisierung, und somit letztendlich zu niedrigeren Energiekosten. Pechmann und Shrouf (2017) berichten etwa, dass ein mittelständisches Metallverarbeitungsunternehmen in Deutschland potenziell rund 850 kWh seines täglichen Energiebedarfs verschieben kann, um einen niedrigeren Preis zu erzielen und zugleich das Versorgungsnetz zu entlasten [22]. Die engere Kopplung industrieller Anlagen an Energiesysteme, etwa über Power-to-X-Anwendungen, wird maßgeblich digital organisiert sein [18, 22].

 

Risiken der digitalisierten Industrie

Neben den Chancen der Digitalisierung sind auch Umweltrisiken zu berücksichtigen. materielle Grundlage moderner IKT sind häufig kritische Rohstoffe wie Lithium, Tantal oder Metalle der seltenen Erden. Mit dem Einsatz digitaler Technologien steigt deren Verbrauch seit Jahren stark an [23]. Die Rohstoffe werden größtenteils in Ländern des Globalen Südens abgebaut. Oft herrschen Arbeitsbedingungen vor, die schädlich für Menschen und lokale Ökosysteme sind [25, 26]. In politisch instabilen Regionen bestehen gravierende soziale Risiken, wenn der Handel mit Konfliktmineralien z. B. auf Zwangsarbeit beruht, Korruption befeuert oder bewaffnete Konflikte finanziert [27]. Nach der Nutzung von Elektronik-Produkten ist das Rohstoffrecycling aus entsorgten Geräten in vielen Fällen nur schwer möglich oder unwirtschaftlich [22]. Ausgediente Hardware verursacht enorme Mengen an Elektroschrott, welcher dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen zufolge zu etwa 90 % illegal entsorgt wird [28].

Datenverarbeitung ist zudem energieaufwändig: Speicher- und Rechenkapazitäten werden elektrisch betrieben und müssen gekühlt werden. Im Jahr 2018 belief sich der Energiebedarf aller in Deutschland stationierten Server und Rechenzentren auf 14 Milliarden kWh [29]. Laut einer Metastudie des Branchenverbands Bitkom verursachen IKT bis zu 3,2 % aller menschengemachten Treibhausgasemissionen [30]. Gleichzeitig wird ein Anstieg ihres Energieverbrauchs erwartet, dessen Grad je nach Projektion variiert [4]. Um diesem Trend entgegenzuwirken, sind effizientere Lösungen zur Datenübertragung und -verarbeitung unumgänglich [31]. Auf Geschäftsmodellebene sind Substitutions- und Rebound-Effekte zu bilanzieren, die zur Folge haben, dass einzelne Güter und Dienstleistungen durch Digitalisierung zwar mitunter effizienter hergestellt, durch sinkende Preise jedoch absolut stärker konsumiert werden [16]. Die zusätzlichen Verbräuche können somit Vorteile in Gesamtbilanzen zunichtemachen. 

Auch aus internationaler Perspektive zeichnen sich Risiken ab. Insbesondere in Weltregionen mit geringen bis mittleren Einkommensniveaus sind digitale Technologien oft nur begrenzt implementierbar, da benötigte digitale Infrastruktur fehlt. Erst seit 2018 verfügt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung über Internetzugang [33]. Dadurch ergeben sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der Chancen von Digitalisierung in Industrieunternehmen. Es bleibt somit eine globale Herausforderung, dass sich Wertschöpfungs- und Produktivitätssteigerungen durch Digitalisierung auch in Ländern mit geringen und mittleren Einkommensniveaus entfalten [17]. 

Umsetzung und Gestaltung einer nachhaltigkeitsorientierten Industrie 4.0

Eine nachhaltigkeitsorientierte Industrie 4.0 kann nur durch das Zusammenspiel von Forschung, Industrie und Politik gestaltet werden. Zahlreiche Forschungsaktivitäten etwa zielen auf die Entwicklung und Optimierung von Konzepten für grünere Fabriken ab. Untersucht wird beispielsweise, wie in der Industrie 4.0 schlanke Produktionssysteme mit Prinzipien der grünen Fertigung vereinbart werden können [34]. Konzepte und Werkzeuge zur Minderung energiebezogener Emissionen wurden bereits in vernetzten Produktionsstätten erprobt [35]. Andere Ansätze verfolgen die Abbildung von Fertigungsabläufen als digitale Zwillinge in Cloud-Strukturen. Als virtuelle Repräsentation physischer Prozesse wird diese parallele Simulation einem erweiterten Lebenszyklusmanagement zugänglich gemacht [36]. Vorausschauende Instandhaltung auf Basis digitaler Sensordaten kann Lebenszyklen von Produkten und Maschinen verlängern sowie Arbeitsbedingungen verbessern [37]. Mit Blockchain-Lösungen lassen sich Informationen entlang industrieller Lieferketten transparent und dezentral dokumentieren. Dies kann sowohl interne Kontrollen als auch externe Sozial- und Umweltberichterstattung stärken [38, 39]. 

Auch in der Industrie existieren entsprechende Initiativen. Als Unternehmensverband für IKT legt die Global enabling Sustainability Initiative (GeSI) einen Fokus auf die Förderung des Beitrags digitaler Technologien zu einer nachhaltigen Entwicklung. Für Industrieunternehmen steht ein Schwerpunkt der Potenziale im Zeichen von Transparenz und Nachvollziehbarkeit [40]. So soll zum Beispiel enger vernetzte Zusammenarbeit mit Partnerfirmen Transparenz in Lieferketten schaffen, um Handlungsoptionen für Unternehmen und Produktinformationen für die Endkundschaft aufzeigen zu können. Eine umfangreiche Bereitstellung von Daten kann Vertrauen und Compliance unter allen Beteiligten erhöhen [41]. Beim Aufbau und Management digitaler Informationssysteme profitieren Unternehmen dabei von entsprechend qualifizierten Beschäftigten sowie von Forschungskooperationen und Audits durch Dritte [42].
 

 

Bild 2: Beziehungen zwischen Gestaltungsakteuren einer nachhaltig digitalisierten Industrie (Quelle: IASS Potsdam).

Von politischer Seite werden beispielsweise industrie- und umweltbezogene Aktivitäten im Bereich der Künstlichen Intelligenz gezielt gefördert sowie eine verstärkte Nutzung digitaler Produkt- und Umweltdaten angestrebt [5, 43]. Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) werden Angebote zur Qualifizierung von Arbeitskräften in der industriellen Produktion angeboten, die speziell die Reduzierung von Material- und Energieverbräuchen durch digitale Technologie behandeln. Wird Wolfram, Zinn, Tantal oder Gold in die Europäische Union importiert, muss seit 2021 eine Sorgfaltsprüfung der Lieferketten erfolgen [27]. Nachhaltigkeitsbewusste nationale Produktpolitik orientiert sich häufig an europäischen Rechtsrahmen, es werden jedoch auch weitergehende Regelungen diskutiert, etwa bezüglich Herstellergarantien auf Wartbarkeit. Mit verpflichtenden Angaben zur Reparierbarkeit von Hardware hat zuletzt Frankreich einen Vorstoß in diese Richtung unternommen [44]. 

Innerhalb der Europäischen Union soll die Industrie durch politische Maßnahmen und einen angekündigten Rechtsrahmen ermächtigt werden, einen simultanen „doppelten Übergang“ hin zu digitalen und grüneren Strukturen erfolgreich zu meistern [45]. Der sogenannte europäische Grüne Deal soll eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch befördern und hierfür den ehrgeizigen Weg zu einer „klimaneutralen und kreislauforientierten Wirtschaft“ ebnen [22]. Die Mobilisierung der Industrie und die Zuhilfenahme digitaler Instrumente werden explizit als Voraussetzungen hierfür angesehen (ebd.). In Europa zählen Verkehr und Energie zu jenen Sektoren, in denen digitale Lösungen besonders effektiv sein können, um diese Ziele zu erreichen [46]. 

Auch die an den Grünen Deal anschließende europäische Industriestrategie bekräftigt die Rolle der Digitalisierung für eine dekarbonisierte Wirtschaft, betont jedoch gleichzeitig, dass Kompetenzen in der Arbeitnehmerschaft aktuell noch nicht hinreichend darauf ausgerichtet sind [47]. Kleine und mittelständische Unternehmen sollen besondere Unterstützung erfahren. In der Produktpolitik verfolgt die Kommission die Etablierung flächendeckender Nachhaltigkeitsstandards [47]. Damit in Zusammenhang steht etwa das Bestreben auf eine höhere durchschnittliche Lebensdauer von Hardware sowie ihre Auslegung auf einfachere Wartung, Reparatur und Recycling [46]. 

Auch in vielen nicht-europäischen Ländern mit großen Industriesektoren gibt es Politiken oder Initiativen mit dem Anspruch die Digitalisierung der Industrie voranzutreiben. Beispielhaft zu nennen wären hier die chinesische Strategie „Made in China 2025“, die „Digital Transformation Strategy“ in Brasilien, oder das „Industrial Internet Consortium“ in den Vereinigten Staaten. Nachhaltigkeit in der Industrie 4.0 ist jedoch ein Thema, welches aktuell beispielsweise in der internationalen Zusammenarbeit der EU noch keine deutliche Rolle spielt (vgl. [49]). Hier gilt es im Sinne einer globalen Nachhaltigkeitsstrategie geeignete Mechanismen zu erforschen und zu entwickeln, damit Erkenntnisse und Politiken für eine nachhaltige Industrie 4.0 auch international diskutiert und geteilt werden können. 

Zusammenfassung und Ausblick

Die raschen und weitreichenden Auswirkungen der Digitalisierung auf Wirtschaft und Gesellschaft sind enorm. Während die Digitalisierung auf Unternehmensebene Chancen für Transparenz und Optimierung ökologischer Parameter bieten kann, stellt sie Gesellschaften und natürliche Ökosysteme vor große Herausforderungen. Um die digitalisierte Industrie mit den normativen Zielen nachhaltigen Wirtschaftens zu verknüpfen, ist eine bloße digitale Nachbesserung alter Praktiken nicht ausreichend. Stattdessen müssen nicht-nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen transformativ verändert werden. Ohne gezielte Maßnahmen ist ein solcher Weg unwahrscheinlich [8]. Über die mit der digitalisierten Industrie einhergehenden indirekten Umwelteffekte, z. B. hinsichtlich Energie- und Materialeinsparungen, liegen bislang nur wenige gesicherte Erkenntnisse vor [50, 51]. 

Obwohl insbesondere eine integrierte Digitalisierung des Energiesektors und der industriellen Produktion großen Nutzen für mehr Nachhaltigkeit bringen könnte, werden Potenziale für Umwelt- und Klimaschutz bei der Umsetzung von Industrie 4.0 häufig nachrangig betrachtet [32]. Weiterführende Forschung in diesem Bereich sollte auf empirische und quantifizierbare Erkenntnisse abzielen, die konkrete Entscheidungshilfen ermöglichen. Um die gesamtgesellschaftlichen Potenziale einer nachhaltig gestalteten Digitalisierung realisieren zu können, müssen dabei die Perspektiven direkt und indirekt betroffener Stakeholder, insbesondere auch aus dem Globalen Süden, zwingend berücksichtigt werden [52]. Dies ist auch zur Erforschung der Bedingungen digitalisierter, globaler Wertschöpfungsketten wichtig. Neben technischen Herausforderungen der Datenintegration stellen die Bedingungen für interorganisationalen Informationsaustausch ein relevantes Forschungsfelder dar, ebenso wie die Rolle umfassender und einheitlicher politischer Rahmenbedingungen.

Politische Leitlinien für die Industrie sollten zum Ziel haben, nicht nur die wachsende digitalisierte Industrie in Deutschland und anderen Industrieländern nachhaltiger zu gestalten, sondern Nachhaltigkeit auch frühzeitig in den Industrialisierungsprozessen schnell wachsender Länder in Afrika, Südamerika oder Asien zu verankern [32]. Wo nachhaltigkeitsrelevante Effekte digitaler Lösungen nicht berücksichtigt werden, könnte ihr Preis zu späterer Zeit deutlich steigen. Wird die digitalisierte Industrie hingegen auf Basis fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse an den Zielen nachhaltiger Entwicklung der Vereinten Nationen ausgerichtet, kann sie industrielle Prozesse und Entwicklungen langfristig zukunftsfähig machen. Hierzu besteht reichlich Raum für Forschungsarbeit, die mit ambitionierten Initiativen aus Praxis und Politik Hand in Hand gehen sollte.

 

Schlüsselwörter:

Industrie 4.0, Nachhaltigkeit, Digitalisierung

Literatur:

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